Die drei israelischen Musiker*innen Shira Cohen, Tal Koch und Guy Woodcock haben vor einigen Tagen in der Hildesheimer Michaeliskirche Psalmvertonungen des jüdischen Komponisten und Musikwissenschaftlers Jean Goldenbaum vorgetragen. Die Psalmen 113 bis 118 gelten als Lobpsalmen (Hallel-Psalmen). Der promovierte Musikwissenschaftler verknüpft die biblischen Gebete mit einer zeitgenössischen und persönlichen Interpretation. Zentraler Teil des Abends war der Dialog zwischen Publikum und Jean Goldenbaum über Musik und Glauben, Krieg und Hoffnung auf Frieden.
Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder hob in ihrer Begrüßung die Bedeutung des Abends hervor: „Er ist für uns eine Begegnung mit neuer Musik, eine Begegnung mit Israelis, mit jüdischen Künstlern, mit Menschen, die sich für Frieden und Verständigung einsetzen. Wir brauchen solches Miteinander des Friedens in dieser Zeit, die aufgewühlt ist von Terror und Krieg.“ Aber es gebe eben auch diese Zeichen des Friedens. Auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Channah von Eickstedt, war mit weiteren Gemeindemitgliedern in die Michaeliskirche gekommen.
Jean Goldenbaum führte zunächst in sein Werk ein. Pastor Dr. Janis Berzins las jeweils den Psalm in der modernen Sprache der BasisBibel, den Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder knapp kommentierte. Daran schlossen sich jeweils die Vertonungen Goldenbaums an.
Diese stellen ein Klangerlebnis atonaler Musik dar, das die Erwartungen an klassische Musik bewusst herausfordert. Goldenbaum malt mit seinen Psalmvertonungen ein abstraktes, expressionistisches Gemälde, das sich kaleidoskopartig aus den einzelnen Psalmen zusammensetzt. Sopranistin Shira Cohen und Tenor Tal Koch sangen die Psalmen auf Hebräisch, begleitet von Guy Woodcock auf der Gitarre, der mal zart einzelne Saiten zupfte, mal kraftvoll spielte. Ein über weite Teile fast reduziertes, klassisches Konzertgitarrenspiel mit einer Reminiszenz an das alte israelische Zupfinstrument Kinnor.
Die Dynamik der Darbietung und die Brüche spiegelten sich auch in den Sänger*innen wider: So wechselten sich ruhige Passagen, in denen sich Tenor und Sopranistin ergänzten, gemeinsam sangen, in denen der Vortrag Tal Kochs eher einem Sprechgesang glich, mit immer lauter und lauter werdenden Rufen ab, die ihren Lob zwar ausdrücken – und doch gelegentlich auch als Flehen klangen. Zwei Betende, die hoffen.
Ein Strudel aus Raum und Zeit: Modern interpretierte und auf Hebräisch gesungene Psalmen, die in einer anderen Zeit und an anderem Ort entstanden waren – und doch auch hier in der Michaeliskirche in Hildesheim ihre Wirkung entfalten konnten.
Denn die Stimmen Tal Kochs und Shira Cohens hallten wie eine Welle durch die Michaeliskirche – und noch lange nach dem Abend nach.
Sprengel Hildesheim-Göttingen/Gunnar Müller
„Neue Klänge für den Frieden“ war eine Kooperation von „Andreas um sechs“, der Musik an St:Michaelis und des Sprengels Hildesheim-Göttingen.