Die Visitation in der Nordstadt-Gemeinde Martin Luther führt Superintendent
Mirko Peisert zum Moscheeverein in der Leunisstraße / Superintendent und Imam wollen stärker kooperieren
Hildesheim. Mit seinen 26 Jahren ist Sinan Öztürk einer der jüngsten Imame
Deutschlands. Und: bundesweit der einzige, der das gemeinschaftliche Gebet
in der Moschee auf Deutsch leitet, aber auch arabisch und türkisch spricht.
"Die muslimische Jugend lässt sich besser auf Deutsch erreichen",
konstatiert Öztürk, der im Harz geboren ist.
Durch den deutschsprachigen Imam habe sich der Kontakt zur muslimischen
Gemeinde deutlich verbessert, betont Lutz Krügener, Pastor der
Martin-Luther-Kirche in der Nordstadt und damit Nachbar der Ayasofya-Moschee
in der Leunisstraße - eine der drei großen Moscheegemeinden in Hildesheim.
Ein guter Grund für Superintendent Mirko Peisert, sich auf seiner Visitation
in der Martin-Luther-Gemeinde - nach dem Begegnungszentrum Broadway im
Fahrenheitgebiet, Stadtteiltreff sowie Arbeit und Dritte Welt im Stadtfeld -
ein Bild vom muslimischen Treffpunkt zu machen.
"Sehr eindrucksvoll", resümiert er nach Führung durch die Moschee und
offenem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Interkulturellen Zentrums Dr.
Abedelkader Bouiken und dem neuen Vorstand des Moscheevereins Ertan
Umuroglu. "Man braucht solche Menschen, um neue Perspektiven zu bekommen",
zeigt sich Peisert beeindruckt. In der Nordstadt gebe es so viele Nationen
und Aktivitäten wie in keinem anderen Stadtteil. "Martin-Luther ist super
vernetzt und damit entscheidend daran beteiligt, dass Initativen
funktionieren und sozial engagierte und kulturelle Institutionen zu Wort
kommen", lobt der Superintendent.
Den Kontakt zwischen Moscheeverein und Peisert hatte Emin Tuncay
hergestellt, Sprecher des interreligiösen Arbeitskreises Abrahams Runder
Tisch. Er weiß: "Seit den 90ern hat sich die Situation in Sachen
Alltagsrassismus erheblich verbessert. Das Wissen über den Islam ist
differenzierter. Aber die Situation kann besser werden." Und das geht nur
über den Dialog, sind sich alle Beteiligten einig. Die Nordstadt mit ihren
vielen Kulturen mache immer wieder durch Konflikte von sich reden. "Wir
können Vorurteile nur bekämpfen, wenn wir gut zusammen leben", so Tuncay.
Mit dem deutschsprachigen Imam ist laut Tuncay die muslimische Gemeinde in
der Nordstadt vor zwei Jahren mit 35 Gläubigen gestartet. Inzwischen
drängeln sich zum Freitagsgebet bis zu 400 Menschen aus 25 Nationen in
verschiedenen Räumen und im Keller in der Ayasovya-Moschee. "Hier trifft
sich die ganze Welt und kommuniziert auf Deutsch."
Aber in den Räumen der Moschee wird nicht nur gebetet, erfahren Peisert und
Krügener. Das Interkulturelle Zentrum für Erziehung, Integration und Bildung
(IZEIB) bietet dort Unterricht für Erwachsene mit 14 Lehrkräften zum
Beispiel in Islamkunde, Arabisch, aber auch Ethik, Sozialverhalten und in
künstlerischen Fächern. Auch Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfe und
Sprachunterricht stehen auf dem Programm. Und dieses Angebot richtet sich
auch an Menschen anderer Religionen, betont Bouiken, der zudem im Beirat
Migration und Integration der Stadt Hildesheim sitzt.
"Wir suchen den interreligiösen Dialog im Sinne von Integration", formuliert
Bouiken. "Wir übernehmen seelsorgerische Aufgaben und betreuen Jugendliche
im Integrationsprozess." Ertan Umuroglu ergänzt: "Wir wollen Ängste und
Vorurteile durch Kennenlernen für die nächsten Generationen aus der Welt
schaffen." Für Bouiken gehören Moschee und Kirche zusammen: "Eine Trennung
schafft Räume für Vorurteile. Wir müssen uns öfter treffen und austauschen."
Integration sei keine Einbahnstraße.
Das nimmt Mirko Peisert gerne auf und schlägt ein Treffen zwischen
muslimischen Jugendlichen und der evangelischen Jugend der
Martin-Luther-Gemeinde vor. Außerdem wünscht sich der Superintendent eine
Zusammenarbeit mit dem muslimischen Verein im Bereich der
Kindertagesstätten. In einem Kindergarten wie "Käthes Nest" in der
Fahrenheitstraße träfen viele Religionen aufeinander. "Da können wir
gemeinsam für das gegenseitige Verständnis viel erreichen", betont Peisert.
Ein Vorschlag, der auf offene Ohren trifft. "Eine KiTa ist in unserer
Satzung vorgesehen", erklärt Bouiken. Und sie steht auch auf der Agenda des
Moscheevereins, ergänzt Umuroglu.
Doch nicht nur für eine KiTa bräuchte es mehr Platz. Die Moschee als Ort der
Begegnung platzt seit ihrem Start in den 70ern aus allen Nähten, deshalb
wird Ersatz gesucht. "Mit OB Meyer haben wir ein Gebäude in der Nordstadt im
Blick", erläutert Tuncay. Aber eine Entscheidung sei noch nicht gefallen.
"Wir wollen keinen Protzbau, sondern einen Ort, wo Religion und Bildung für
die Gemeindemitglieder funktioniert." Und der offen ist für andere
Religionen. Martina Prante
Info: Ein Visitationsgottesdienst mit Mirko Peisert wird am Sonntag, 26.
März, um 10 Uhr in der Drispenstedter Thomaskirche gefeiert. Ein erstes
Treffen zwischen Jugendlichen christlichen, jüdischen und muslimischen
Glaubens ist das Friedensgebet am 3. Mai um 18 Uhr in St. Andreas.
Sprengel Hildesheim-Göttingen/gmu